Treffen mit einem langjährigen Freund in Potsdam. Die Stunden beim Tee verfliegen, während er von seiner Familiengeschichte erzählt. Ein spannender Plot zwischen Ost und West, Theater und Politik, bei dem sich einmal mehr zeigt, wie gefährlich es ist, wenn Werte und Ideale institutionalisiert werden. Seien sie politisch, religiös oder kulturell grundiert. Früher oder später richtet sich der Gewalt-Apparat derjenigen, deren selbsternannte Heils-Mission es ist, einen neuen Menschen schaffen zu wollen, nicht nur gegen die gesellschaftlichen Zielgruppen, auch die Kinder der Revolution werden bespitzelt, unter Druck gesetzt, bestraft, eliminiert oder – als Gnadenbrot getarnt – wieder einsortiert in die eigenen Reihen, um nicht zu Querulanten und wachsenden Störfaktoren zu werden.
Solche Mechanismen, die im Falle der Familie des Freundes sozialistisch rot gefärbt waren, sind keinesfalls Geschichte. Sie scheinen zum menschlichen Miteinander dazuzugehören mit wechselnden Ideen und Emblemen. Doch die ideologische Grundstruktur ist immer die Gleiche: ein Kreis vermeintlich Auserwählter meint, über Letztbegründungen des Seins zu verfügen und verordnet Kindern und Erwachsenen ein Erziehungsprogramm: Arbeit, Familie, Klasse, Nation, „Königreich Deutschland“, Himmel, Natur, Vernunft, Geschlecht oder das Wetter – alles kann theoretisch zum absolut gesetzten Objekt des Programms werden, das sich früher oder später gegen den Menschen und seine Freiheit richtet.
Was steckt hinter diesem Mechanismus? Machtwille, ja. Vielleicht aber auch Verzweiflung, die durch einen vermeintlich höheren Sinn, vermeintliche Hoffnung verdrängt werden soll. Insofern möchte ich die berühmte Definition Václav Havels, was Hoffnung sei, allein leben. Für mich selbst. Mit innerem Abstand zu jeder Bewegung und ihren Marionetten. „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“ Als Motto für eine Gemeinschaft wäre diese Definition brandgefährlich.
Text: mee ©