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Tagebücher und Notizen
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Privatinitiative
Er mochte Geschäftsreisen. Sie gaben ihm die Möglichkeit, etwas Abstand zu seiner Familie zu finden. Zu Helena und den Jungs. Wenigstens vorübergehend. Noch einmal eintauchen in das Abenteuer des Alleinseins. Frei und ungebunden sein. Ein Luxus, den er sich sonst kaum leisten konnte. Firma, Haus, Tennisverein. Alles verlief nach klaren Regeln. Sogar die Abende, wenn…
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Auf den letzten Metern
Am Ende hat alles funktioniert: in dem Moment, als ich den Zählerstand durchgeben wollte, kam S. in die Wohnung. Als wir die wichtigsten Infos ausgetauscht hatten, rief MM an und lud A. und mich in ihre Wohnung in Nähe des Bayerischen Platzes ein. Ein Jahr lang habe ich gehofft, sie zu treffen, bevor es eines…
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Schock, Tränen und Freiheit
Gibt es einen Ort in Europa, an den man sich zurückziehen kann, um nicht zu sehr von der Realität belästigt zu werden? Ein Refugium, wo man in Ruhe schreiben, leben und lesen kann, ohne sich ständig zu fragen, ob die Welt eine offene Psychiatrie geworden ist? Vermutlich nicht. Doch wenn ich in diesen Zeiten der…
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Q XVIII.
5. Juli 2020 Ich packe die Koffer ins Auto und fahre los. Richtung Gdynia. Eine 4-stündige Fahrt u.a. durch Masuren. Früher dauerte es wesentlich länger, doch das Autobahnnetz ist ausgebaut worden. Nur zu Beginn trödelt man etwas auf Landstraßen daher. Ist man erstmal auf der Schnellstraße, nähert man sich dem Meer mit Hochgeschwindigkeit. Die Sehnsucht…
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Das Netzwerk der Seelen
Eines Tages in Warschau saß ich im Bus und fuhr in die Altstadt. Ich hatte den Eindruck, dass nicht weit von mir entfernt die Schauspielerin Maja Komorowska sitzt. Eine Legende des polnischen Kinos und Theaters, die mir vor allem aus „Dekalog I“ von Krzysztof Kieślowski vertraut war. Die bekannte zehnteilige TV-Produktion aus den 80er Jahren,…
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Ein Sonntag in Ravensbrück
Es ist kalt, und es scheint die Sonne, als ich den Zug in Fürstenberg (Havel) verlasse. Ich streife mir Handschuhe über und mache mich zu Fuß auf den Weg zur Mahn- und Gedächtnisstätte Ravensbrück. Ein Weg von 30 Minuten, der erschreckend idyllisch verläuft. Vorbei an gepflegten Häusern und Gärten. Wegen der gesunden Wald- und Seenlandschaft…
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Madonna im Abschirmdienst
Es war nicht die Kathedrale Notre-Dame, die mich interessierte, sondern die Körpersprache der Politiker. Die Art und Weise wie der französische Präsident seine Amtskollegen aus Polen, Deutschland und Amerika begrüßte, wie die Gäste sich bewegten und auf welche Sitze man sie platzierte. Ein großes Theater, das viel über unsere Zeit aussagt, wenn man die Codes…
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Deutschland-Ticket (XVI)
Bin ich deshalb wieder in Deutschland? Diese Woche fühlte sich an wie die andere Seite der 9. November 1989-Medaille. Alles scheint sich aufzulösen, doch ohne Begeisterung. Der Bundeskanzler feuert seinen Finanzminister und will dem Parlament erst im Januar die Misstrauensfrage stellen – angeblich aus Mangel an Papier. Verkehrsminister Volker Wissing, den ein seltsamer Nimbus umgibt,…
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Vorwärts
Die Tage werden kürzer und die Termine drängen sich. Vor einer Woche war ich in Chemnitz, wo das Programm der Kulturhauptstadt 2025 in einer modernisierten Fabrik vorgestellt wurde. Tanz, laute Beats, eine ganze Fülle von Veranstaltungen. Als kleine Gruppe von Journalisten fuhren wir mit einer archaischen DDR-Strassenbahn zu einem zukünftigen Zentrum für Kreativschaffende. Wir fanden…
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U Olka
Ich kann nicht vergessen, wie wir eines Nachts über den Autobahnabschnitt fuhren, der noch nicht eröffnet war. Wir erkannten es erst, als keine Umkehr mehr möglich war. Es war die Zeit, als wir uns im alten Ford über die Landstraßen quälen mussten, wenn wir in mein Herkunftsland fuhren. Im Wagen gab es keine Ventilation, dafür…