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Tagebücher und Notizen

  • Vorwärts

    Vorwärts

    Die Tage werden kürzer und die Termine drängen sich. Vor einer Woche war ich in Chemnitz, wo das Programm der Kulturhauptstadt 2025 in einer modernisierten Fabrik vorgestellt wurde. Tanz, laute Beats, eine ganze Fülle von Veranstaltungen.  Als kleine Gruppe von Journalisten fuhren wir mit einer archaischen DDR-Strassenbahn zu einem zukünftigen Zentrum für Kreativschaffende. Wir fanden…

  • U Olka

    U Olka

    Ich kann nicht vergessen, wie wir eines Nachts über den Autobahnabschnitt fuhren, der noch nicht eröffnet war. Wir erkannten es erst, als keine Umkehr mehr möglich war. Es war die Zeit, als wir uns im alten Ford über die Landstraßen quälen mussten, wenn wir in mein Herkunftsland fuhren. Im Wagen gab es keine Ventilation, dafür…

  • Der Dozent

    Der Dozent

    Der Dozent ist ein hagerer Mann, Ende 30. Unsicher und leicht stotternd steht er vor den Studenten der Humboldt-Universität und denen, die von Westen kommend, auch mal reinschauen wollen. Was hier stattfindet, in den Räumen der einstigen DDR-Kader-Universität, ist eine anheimelnd wirkende theaterwissenschaftliche Vorlesung über die Antike. Holztische, Strickgardinen, PVC-Boden. Der Dozent wirkt müde. Die…

  • Lądek Zdrój

    Lądek Zdrój

    Wo kamen wir her? Aus Wien? Aus Bratislava? Aus Prag? Ich erinnere mich nur noch an die Autofahrt im Nebel. An Kurven und Serpentinen und einen endlosen Waldweg. Als wir endlich in der Stadt eintrafen, war es so dunkel, dass wir kaum erkennen konnten, wo wir uns befanden: Lądek Zdrój oder Bad Landeck, wie man…

  • Bookinista

    Bookinista

    6. September 2024: Was für ein wunderbarer Premieren-Abend von „Gespenster wie wir“ in „Cohen’s Club“ in der Berliner Buchhandlung Bookinista. Gastgeberin Ute Cohen („Der Geschmack der Freiheit“) hat, wie gewohnt, klug, charmant und geistreich durch den Abend geführt. Schauspieler und Hörbuch-Produzent Stephan Dierichs hauchte den fiktiven Figuren des Romans eindrucksvoll Leben ein. Ich selbst bin…

  • Beim Untergang zusehen

    Beim Untergang zusehen

    Zwei Spätsommerwochen in Polen: Zunächst in Warschau, dann in den masowischen Wäldern. Schließlich in Białystok und am Meer in Jastrzebia Góra. Warm war es überall – dazu schön, sauber und sonnig. Warum sich also mit Deutschland beschäftigen? Weil in Sachsen und Thüringen gewählt wird? Weil nun auch VW in den Krisenmodus geraten zu sein scheint?…

  • Delon und ich

    Delon und ich

    „Rocco und seine Brüder“, „Vier im roten Kreis“, „Nur die Sonne war Zeuge“ – ich kann nicht sagen, dass der Schauspieler Alain Delon (1935-2024) mich besonders beeindruckt hätte, als ich seine wichtigsten Filme vor vielen Jahren zum erstenmal sah. Die bösartigen Figuren, die er meistens verkörpert, entwickeln sich nicht. Sie sind durchtrieben vom Anfang bis…

  • Zur See

    Zur See

    Der Himmel ist bedeckt. Auf dem Bürgersteig haben einzelne Tropfen ein meditatives Mosaik hinterlassen. Keine Autos. Keine Passanten. Ein Tag, der voller Versprechen ist. Ich nehme die U-Bahn, den Regionalzug zum Hauptbahnhof, ein kurzer Halt mit Blick auf das grau verregnete Kanzleramt, das wie das verschlafene Domizil eines Provinzbürgermeisters wirkt. Das Eingangsfenster des Bahnhofs, durch…

  • Wildes Europa

    Wildes Europa

    Er stieg in Posen ein. Noch bevor er den ersten Fuß in das Abteil setzte, roch ich ihn: Wodka, Bier, Schweiß und Dreck. Ich versuchte ihn zu ignorieren, las weiter in „Der wilde Kontinent“, ein Buch über das zerstörte Europa zwischen 1943 und 1950. Es passte. Als ich den neuen Fahrgast im Berlin-Warszawa-Express, der mir…

  • Bornholm-Blues

    Bornholm-Blues

    Wir haben uns geirrt – damals, als wir den Tagesausflug nach Bornholm buchten. Wir dachten, es würde ein Vergnügen sein. Doch das war es nicht. Als wir den Hafen in Kołobrzeg verlassen hatten, reichte die Schiffscrew den Passagieren „Kotzbeutel“, so sehr schaukelte das Boot mit dem Namen „Jantar“ in den Ostseewellen. Die polnische Reiseführerin im…