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Tagebücher und Notizen
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Dreimal sehe ich Dich
Dreimal sehe ich Dich. Vor langer Zeit, als Du durch den Garten sprangst. Dort, wo nur Wildwuchs war und unser Haus stehen sollte. Vorfreude, auch in der Stadt. In der Wohnung, wie ein Mädchen, gespannt, welche Überraschungen wohl kommen mögen. Hopsend, auf einer Stelle. Was kam? (Brandstaetter, mein Brandstaetter) In Saska, als wir uns wiedersahen,…
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Transit/Tranzyt
Ich sitze in einer leeren Wohnung. Ein Stuhl, ein Tisch und kein Haus.Welcher Dämon hat mich veranlasst, zu gehen? Worauf warte ich hier? Ich könnte meinen Kopf gegen die Wand schlagen und würde keine Antwort finden. Nur der Gedanke an dich hält mich am Leben. Keiner weiß, wie die Kriege weitergehen werden. Wie weit sich…
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Gespräche mit Żiżi
Neulich war ich wieder für ein paar Tage in meiner Datsche in den masowischen Wäldern – und mit dabei war mein Kater Żiżi. Obwohl Żiżi nach dem Philosophen Żiżek benannt wurde, ist er doch ein eigenständiger Denker. Oft liegt Żiżi auf der Gartenbank, schaut in den Himmel oder beobachtet das Treiben anderer Tiere auf der…
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Der Schuster von Grochów
Er ist nicht mehr da: der Schuster in meinem Viertel in Grochów, zu dem ich in den vergangenen Jahren gelegentlich meine Schuhe brachte. Meistens im Herbst, wenn das Wetter rauer wurde und die Lederschuhe eine Auffrischung brauchten. Der Laden, in dem der große, alte Mann mit dem grauen Haarschopf die Schuhe winterfest machte, steht leer.…
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Deutschland-Ticket (XIV)
Schließlich habe ich mir doch ein Deutschland-Ticket besorgt. Beim Kartenschalter am Alexanderplatz. Der Mann, der es mir ausgehändigt hat, stammt aus Nigeria. Als ich ihn auf Widersprüche bei meiner Anschrift aufmerksam machte (die Meldeadresse stimmte noch nicht mit der neuen Anschrift überein), ließ er die rechte Hand lässig zusammenklappen, um meine Bedenken zu zerstreuen. „Das…
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Refugium des Schreibens
Die Weiten der Uckermark wirken wie ein grüner Teppich, auf dem sich Pferde, Katzen und Vögel vergnügen. Menschen sieht man hier weniger, doch der Mann, den ich besuche, hat sich ganz bewusst hierhin zurückgezogen. Er wollte nicht länger in Berlin leben, „wie ein Schwein, das sich an der Eiche reibt“. Sein Haus am See ist…
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Verlassene Pietà
Ich stand ihr stets mit einer gewissen Kühle gegenüber. Mit innerem Abstand. Auch mit äußerer Distanz. Ich mochte es nicht, wenn sie mit mir über die Schule, Bücher und das Weltgeschehen sprechen wollte. Wenn sie mich bewunderte oder in ihrer Absicht zu formen versuchte. „Lehrer wäre ein guter Beruf für Dich.“ Was ich spürte, war…
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Deutschland-Ticket (XIII)
Lang ist es her, dass ich in Weimar war. Nun bin ich auf dem Weg zur Sonderausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“. Der Andrang von Journalisten bei der Eröffnungspressekonferenz ist riesig. Ich finde einen Platz neben einem Mann im mittleren Alter, der sich als Korrespondent des „Guardian“ herausstellt. Ich deute eine andächtige Verbeugung an. Seit mir eine…
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Melancholie des Pendelns
Ich habe versucht, die Uhr anzuhalten,um bei Dir bleiben zu können. Die Zeiger an der Wand gab ich der Katze zum Spielen. Die Batterien warf ich in den Fluss. Den Strom stellte ich ab. Das schenkte uns ein paar Stunden, doch wir wussten, wann der Zug abfährt. Wir konnten es nicht verdrängen. „Bleib‘ hier“, sagtest…
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Warszawa, mon amour
Weiße Jeans, schwarzes T-Shirt und graumeliertes Haar. Der Mitreisende im Berlin-Warszawa-Express mit dem kolossalen Silberkoffer erinnerte mich an einen in die Jahre gekommenen Rockstar, und als wir ins Gespräch kamen, zeigte sich, dass er auch so lebte. Er sei vor ein paar Tagen von Houston nach Heathrow geflogen, dann habe er ein Treffen mit seiner…