Wir sollen in den Raum der Dunkelheit gehen und den Raum und uns wahrnehmen, sagt die amerikanische Gruppenleiterin des Jüdischen Museums. Ich blicke hinauf zu der Öffnung, in die das Licht einbricht. Ich verstehe das Konzept, die Idee der Dekonstruktion und auch die pädagogische Methode, doch die Absicht, das Leiden von Deportierten auf diese Weise fühlbar zu machen, misslingt. Sie kann nur misslingen. Jeder Architekt würde daran scheitern.
Was mir an diesem Rundgang noch auffällt, ist der Hang zur Intellektualität. Besonders bei einer düsteren Kabbalah-Konstellation von Anselm Kiefer, „Bruch der Gefäße“, wird mir dies deutlich. So interessant das Thema auch ist – eine alternative kosmische Weltschöpfungstheorie. Ich sehe nur dunkle, verbrannte Zeitungen. Unheimlich, aber auch hier stößt der Schock an Grenzen.
Am nächsten Tag ein Ausflug zum Großen Wannsee. Ein schöner Weg. Vorbei an Yacht- und Segelclubs. Gepflegten Häusern und Wohnungen. Osterausflügler mit Eis und Fahrrädern. Luxuriöse Eigentumswohnungen werden zum Kauf angeboten: „Atmen, fühlen, leben“.
Als ich die Villa aus der Ferne sehe, ist es sofort klar: Dies muss sie sein – und sie ist es. Gespenstisch harmlos. Noch im Jahr 1988 wurde sie als Schullandheim genutzt für Schulfreizeiten. In den Ausstellungsräumen ist ein Foto aus dem Jahr 1978 zu sehen: eine Grundschulklasse, die – wäre ich in Berlin geboren – meine hätte sein können, mit einer Lehrerin, deren harmlos-engagierter Gesichtsausdruck gut in diese Umgebung passt. Wusste sie nicht, wo sie sich befand?
Der „Zone of Interest“-Effekt liefert vermutlich die einzige Methode, sich dem Unbegreiflichen heute zu nähern. Das Böse sieht dem Guten manchmal zum Verwechseln ähnlich.