Ist Joseph Beuys wirklich von Krim-Tataren nach einem Flugzeugabsturz im Zweiten Weltkrieg gerettet und gepflegt worden? Die Aura eines Schamanen umgab ihn. Ohne den Einfluss der Schriften von Rudolph Steiner, Goethe und Novalis lässt sich sein Werk, die Plastische Theorie nicht verstehen.
Während ich durch die „Joseph Beuys. Sammelausstellung“ im Hamburger Bahnhof laufe, muss ich an meinen früheren Kunstlehrer Joseph Zimmermann denken. Ein Beuys-Schüler, der uns zu einer menschlichen Form des Künstlertums animierte. Mit seinem Schlapphut, dem Seehundschnäuzer und den blauwässrigen Augen hätte er als Beuys Cousin durchgehen können.
Ich sehe Fett, Filz und Kupfer – und nun weiß ich, dass die Tatarengeschichte doch stimmt, auch wenn sie nur Erfindung ist. Ich sehe den Niederrhein, Kleve, Schloss Moyland. Hasen und grüne Flächen. Spökenkickerei im Nebel. „Jeder Mensch ein Künstler.“ Doch der Weg dahin führt immer über „Manresa“: Tod, Verzweiflung und Selbstaufgabe. Die Exerzitien des wilden Wuchses.
Einmal bat Joseph Zimmermann uns, das Gemälde eines französischen Impressionisten zu betrachten: Ein verregneter Pariser Abend – von der Wohnung aus betrachtet. Die obligatorische Schulfrage: was war die Intention? Nach einigen akademischen Antworten der naseweisen Schüler hatte Zimmermann genug: „Mensch, der Maler will einfach nur zeigen, wie angenehm es ist, bei diesem Sauwetter in der Wohnung zu sein. Kennt ihr das nicht?“
Text: mee ©