Was mich an den Bildern von Caspar David Friedrich am meisten überrascht, ist ihre schlichte Existenz. Es gibt sie wirklich: „Mönch am Meer“, „Abtei im Eichwald“ oder „Mondaufgang am Meer“. All die Hits, die ich seit Jahrzehnten kenne. Jetzt in der Alten Nationalgalerie stehe ich ihnen vis-a-vis gegenüber. Inmitten emsiger Betriebsamkeit und Anspannung haben wir keine Zeit für einen ruhigen Austausch. Immer wieder höre ich das Klicken von Kameras und schrille Warntöne, wenn irgendjemand im Raum zu sehr auf Tuchfühlung mit den Bildern geht. Als würden sie selbst um Sicherheitsabstand bitten – vor unserer nervösen Zeit und unserer übergriffigen Neugier.
Wie kann man vor dem Hintergrund von Mönch und Abtei einen Tisch mit Mikros, Mineralwasserflaschen und Namensschildern platzieren, um im Stil von Parteien und Verbänden eine Pressekonferenz zu halten? Mit den geheimnisvoll mehrdeutigen Bildern als Staffage. Romantisch, aber deutsch. Sogar die Mikrophonkabel sind ordentlich verlegt und gerollt. Als würde der Geist von Ordnung und Kontrolle seine ungebrochene Stärke unter Beweis stellen wollen. Wird man damit dem Maler und seiner zuweilen verzweifelten Ausdruckssuche gerecht? Er hat ein Universum geschaffen, in dem er die Vergänglichkeit malerisch zu fotografieren versuchte – vor der Erfindung von Kameras. Dabei ging es ihm nicht um Naturalismus. Wolken, Schnee und Mond dienen ihm als rätselhafte Wegmarken dessen, was sich nicht festhalten lässt: Die Zeit und die menschliche Existenz. Er rang nach Schönheit und Unendlichkeit im unaufhörlichen Wandel. Ein universeller Anspruch, der allerdings im Laufe der Epochen oft instrumentalisiert wurde. Wie alles, was offen ist und von ideologischen Deutern verengt werden kann. Lassen wir die Bilder in Frieden: Einfach sein.
Text: mee ©