Lądek Zdrój

Foto: mee

Wo kamen wir her? Aus Wien? Aus Bratislava? Aus Prag? Ich erinnere mich nur noch an die Autofahrt im Nebel. An Kurven und Serpentinen und einen endlosen Waldweg.

Als wir endlich in der Stadt eintrafen, war es so dunkel, dass wir kaum erkennen konnten, wo wir uns befanden: Lądek Zdrój oder Bad Landeck, wie man früher sagte. Alles, was wir beim langsamen Hereinfahren sahen, wirkte grau. Vom Verfall geprägt. Dass vor unserem Hotel keine Männer in langen Mänteln auf uns warteten, sondern ein verspieltes Katzenpaar, war ein überraschender Gegenakzent.

Am nächsten Morgen war der Nebel verschwunden und setzte sich doch fort. Wie hinter einem Schleier von Tristesse verborgen – so erschien uns dieser alte, europäische Kurort mit seinen Quellen und Sanatorien. Obwohl einige historische Bürgerhäuser bereits renoviert worden waren. Nicht zu vergessen das Marienbad mit seiner imposanten Kuppel. Doch davon ist mir kaum etwas in Erinnerung geblieben. Nur die Geister von Goethe und Friedrich dem Großen, die es auch hierhin zog.

Was ich stärker wahrnahm, waren bröckelnde Fassaden, Risse an den Wänden und eine gedrückte Stimmung, als wären auch die Geister des Kommunismus immer noch nicht verschwunden. Nicht bei Tag und nicht bei Nacht.

Abends gingen wir über eine alte, steinerne Brücke, die dem heiligen Nepomuk gewidmet war, zu einer Kirche, von der ich nur noch weiß, dass sie mir zu glatt und zu glänzend schien. Kalt – zu entrückt für die Menschen dieses Städtchens. Doch einige kamen, um sich für ihren täglichen Kampf ums Überleben zu rüsten. Wie traurig ein Glaube, der das Vertrauen des Menschen enttäuscht, doch machen kann.

Ich fotografierte lieber die Menschen, die wir vereinzelt auf dem Markt und den leeren Straßen sahen. Ich wollte ihre Gesten und Bewegungen festhalten. Als würde ich mich in einem großen Bilderbuch der Vergangenheit bewegen und mir ein verspäteter Blick in eine versunkene Epoche vergönnt sein.

Nun – nach so vielen Jahren – habe ich Lądek-Zdrój wiedergesehen. Weit entfernt und mithilfe von Social Media. Es macht mich wehmütig, zu sehen, wie rasch die Wassermassen dort und an anderer Stelle die mühevolle Arbeit von Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten weggeschwemmt haben. Von menschlichen Opfern und anderen Nöten nicht zu sprechen.

Die Brücke des heiligen Nepomuk sollen die Wassermassen ganz weggerissen haben. Als wollte die Natur uns ein Zeichen geben, uns von allem Aberglauben endgültig zu befreien oder uns wieder tiefer mit den Geistern der Elemente zu verbinden.

Text: mee

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